Das Gesundheitswesen kostet immer mehr. Im Jahr 2022 sind die Gesamtkosten auf 91.5 Milliarden Franken angestiegen – dies ist unter anderem auch der Grund für die steigenden Krankenkassenprämien.
Dieser Entwicklung möchte die Kostenbremse-Initiative der Mitte entgegenwirken. Sie fordert: Steigen die Gesundheitskosten im Vergleich zu den Löhnen und der Gesamtwirtschaft zu stark an, müssen Bund und Kantone Massnahmen ergreifen.
Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider vertritt in dieser Abstimmungs-«Arena» die Nein-Parole von Bundesrat und Parlament. Dennoch räumt die EDI-Vorsteherin ein: «Die Kostenbremse-Initiative bringt ein wichtiges Thema auf den Tisch und stellt die richtigen Fragen.»
Und trotzdem wirft sie der Mitte-Partei vor, lediglich Symbolpolitik zu betreiben. Verschiedenste Massnahmen würden bereits umgesetzt oder stünden im Parlament zur Diskussion. Dadurch liessen sich Millionen sparen und die Kosten dämpfen, führt Baume-Schneider aus.
Das Gesundheitssystem ist zu einem Kartell geworden.
Mitte-Präsident Gerhard Pfister kontert und kritisiert die Akteure im Gesundheitswesen: «Das System ist zu einem Kartell geworden. Alle wissen, wo und wie man sparen könnte, aber aufgrund falscher Anreize passiert nichts.» Pfister ist der Meinung, dass es nun eine Verfassungsänderung braucht, damit endlich etwas passiert. Seine Kostenbremse sei die Antwort auf diesen Missstand.
Schlagabtausch zwischen Pfister und Gilli
Yvonne Gilli, Präsidentin des Verbandes der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, teilt diese Ansicht nicht: «Wir haben in der Schweiz bereits eine funktionierende Kostenkontrolle». Ausserdem sorge sie sich um die Patientinnen und Patienten in der Schweiz. Gilli befürchtet, dass kranke Menschen in gewissen Fällen auf gewisse Leistungen verzichten müssten.
Das Duell zwischen der höchsten Ärztin und dem Mitte-Präsident entwickelt sich zu einem regelrechten Schlagabtausch. Auf die Aussage Gillis, die Initiative sei geradezu zynisch und führe zu einer Zweiklassenmedizin, antwortet Pfister, sie möge doch zuerst im eigenen Laden aufräumen und den Missbräuchen von Ärzten Einhalt gebieten.
Für Mitte-Ständerat Erich Ettlin ist klar, dass zurzeit viele teure Behandlungen vorgenommen werden, die nicht nötig wären. Diese Fehlanreize gelte es aus dem System zu bringen; so könne man Milliarden einsparen. Nebst dem kostendämpfenden Effekt würde dies auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken, so Ettlin.
Ich habe erwartet, dass die Initiative zurückgezogen wird.
Für den Schaffhauser Ständerat Hannes Germann ist die Initiative unnötig. Mit den beiden Kostendämpfungspaketen und der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) unternehme das Parlament schon genug, findet Germann. Er verstehe zwar, warum die Mitte die Initiative ursprünglich eingereicht hatte, hätte jedoch erwartet, dass sie zurückgezogen wird.
Der Präsident der Jungen Mitte, Marc Rüdisüli, sieht dringenden Bedarf und allerlei Möglichkeiten, die Kostenentwicklung zu bremsen. Nur schon mit der Digitalisierung liessen Milliarden sparen, erklärt der Thurgauer. Gerade als Jungpolitiker sei es ihm ein Anliegen, das Gesundheitssystem der Schweiz «fit für die Zukunft zu machen».
Dass die Initiative der Mitte zu einem Zweiklassensystem führen würde, bezeichnet Rüdisüli als Angstmacherei. «Wenn wir jetzt nichts machen, bewegen wir uns in Richtung Zweiklassenmedizin», so der Mitte-Politiker weiter. Denn schon heute sei das Gesundheitswesen nicht mehr für alle bezahlbar.
Reicht der Gegenvorschlag aus?
Wird die Initiative abgelehnt, so tritt der Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament in Kraft. Es sei denn, ein Referendum wird ergriffen. Im Gegensatz zur Initiative sieht der Gegenvorschlag keine Massnahmen vor, wenn die Kosten stärker als vereinbart steigen. Es läge in der Verantwortung von Bundesrat und Kantonen, Massnahmen zu prüfen.
Rüdisüli hat die Geduld verloren: «Geprüft haben wir genug. Jetzt braucht es Massnahmen». Auch Gerhard Pfister hält nicht viel vom Gegenvorschlag: «Ich bin genügend lange in der Politik, um zu wissen: Wenn man etwas prüft, dann will man dies nicht tun.» Die Gesundheitsministerin spricht sich indessen für den indirekten Gegenvorschlag aus und versichert, dass dieser – im Gegensatz zur Initiative – für mehr Transparenz im Gesundheitswesen sorgen würde.
Am 9. Juni stimmt die Schweizer Bevölkerung über die Kostenbremse-Initiative der Mitte ab.